sei kein Frosch und schreib
auf deiner Hobelbank auch
auch wenn ihr schlanker Leib
ein Leckerbissen voll ist
mit millionen fruchtbarer Eier


[…]
Den 2. Auguſt, da die Busaare ziemlich erwachſen und bei voller Kraft waren, begann ein neues Kampfſpiel. Der größte der beiden Falken ſaß auf dem Boden, der kleinſte auf der Hobelbank. Vor jenem legte ich eine große Kreuzotter nieder. Sie fauchte arg und biß grimmig nach ihm hin. Ruhig, mit geſträubtem Gefieder ſtand er da, blickte ſie unverwandt an und ſchien den Augenblick zu erwarten, wo er ſie mit Vortheil angreifen könnte. Jetzt warf ich einen halben Froſch hinter die Otter; er ſtürzte los, packte, ohne den Froſch zu berühren, die Otter mit den Krallen mitten am Leibe und wollte eben mit der ſich verzweiflungsvoll krümmenden und um ſich beißenden in eine Ecke hüpfen, als plötzlich der andre Busaar von der Hobelbank herabſtieß und das Schwanzende der Schlange ergriff. Sie riſſen ſich um den Raub, indem jeder mit der einen Kralle ihn hielt, mit der andern gegen ſeinen Kameraden heftig kämpfte. Eiligſt trennte ich die Hitzköpfe und ließ Dem die Beute, der ſie zuerſt gepackt hatte. Er hielt ſie ſchreiend und heftig mit den Flügeln ſchlagend zwiſchen beiden Krallen; ſie biß unaufhörlich ziſchend um ſich, und die Biſſe trafen theils ſeine Federn, oder die Luft, theils glitten ſie an dem Hornpanzer ſeiner Füße ab. Den Kopf, welchen er hoch hielt, konnte ſie nicht treffen. Er mußte glauben, ſie nicht richtig gefaßt zu haben, ließ ſie los, faßte ſie aber, indem ſie wegeilte, ſogleich wieder mitten am Leibe, zielte mit dem Schnabel nach ihrem Kopfe, traf und zermalmte ihn. Jetzt wartete er in geſpannter Aufmerkſamkeit ab, bis das Unthier ganz kraftlos zu ſein ſchien, dann riß er zuerſt den Kopf in Stücke, die er verſchlang, darauf fraß er den Hals und das Uebrige. Es war ein fetter Leckerbiſſen, denn die Otter war über zwei Fuß lang und enthielt viele Eier; doch ließ er Nichts übrig und fraß ſogar gleich hinterdrein noch einen Froſch.
[…]

(Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, Seite 517/18)





behältnisse
nach tomas schmit

das verhältnis von wörtern zu dingen
ist
vorläufig das verhältnis
von
dingen
zu worten
ist das vorläufig das
verhältnis


…nach dem ich die maurerkelle abgegeben hatte bin ich noch mal eingeschlafen die nacht fing an mit wenn wir uns schon wollen wir dann den tisch auch ausziehen allein das mittelbrett fehlt so ist er auch schön nackt der schöne um das schnell aufzuschreiben: sprung aus dem bett ans schreibpult und nun sitzt er hier und weiß nicht weiter… son ständer stört ständig



kannst du mir mal die knie küssen ich komme da nicht mehr ran




Brandmeldelyrik

Wichtige Frage vor dem Einschalten des Nebelgerätes

Was habt ihr für Melder: Rauchmelder, optische,
Wärmemelder, Mehrkriterienmelder,
Ansaugrauchmelder oder

Linienförmige Rauchmelder, linienförmige
Wärmemelder, Gasmelder sowie Flammenmelder
Oder den gemeinen Handfeuermelder…

Am besten und sichersten ist natürlich
Der gewöhnliche Ziervogel, der bei

Einer Rauchvergiftung einfach
Im Käfig von der Stange fällt.



komisch bei unseren seltenen treffen kommen wir immer an den punkt wo ich dir von einem erlebnis erzählen möchte das ich eigentlich wegen seiner ambivalenz niemandem erzähle dir erzählte ich es zweimal ohne mir der wiederholung bewusst zu sein erst später nach und nach merkte ich es es ging darum daß ich in einer situation mäßiger schönheit tief glücklich wurde weil ich ausgelöst durch das wippen eines damenfußes zwei reihen vor mir ich saß am mittelgang des sitzfeldes klammer zu plötzlich tief davon überzeugt war daß alles um mich herum: die langweilige vorstellung die zarten geräusche einzelner im publikum das vestibül in dem das zuschauerfeld mithilfe von sponsoren eingebaut dem musik-off-theater mit der sehnsucht eines professionellen raum gab der mamor das licht jede große und kleine kleinigkeit der ganze reichtum nur für mich existierte: alle sind wegen mir gekommen daß gewissermaßen das leben an diesem 'geilen ort' ganz allein mir zum geschenk gemacht wird… nicht weniger als ein ein schreckliches wort gesamtkunstwerk für einen einzigen gast… im weltraum so etwas habe ich nie wieder erlebt leider komma eine sache komma eigentlich vieler besser erlebterer situationen würdig komma komisch punkt



I see ICE obwohl
ich sitze drin und
nebenan ein Güterzug voll
mit den neusten Modellen des Mégane
da platzt es aus mir raus:
"Und draußen fahren die Autos vorbei."

(kleine gefährliche Frage: ist ein Auto ein Auto noch in dem Moment wo es gefahren wird)



Ein wirklicher und wahrhafter Künstler, der nichts von seinem Handwerk versteht, sucht für eine gemeinsame leuchtende Zukunft in einer dunkler werdenden Welt, einen Antragslyriker, der sein Handwerk versteht. Das heißt, wenn er sein Handwerk versteht, dann wird er sich selbst abschaffen.



pech schwarzer peter warum bin ich kein naturkunde geworden


bremskraftverstärker

die sache war die die bauen den tank aus und vermuten die undichtigkeit oberhalb des tanks am spröden schraubring zwölf zentimeter durchmesser der den benzingeber in den tank drückt und tatsächlich zwei risse hat der mechaniker kürzt die ausgeleierte gummidichtung schweißt? sie irgendwie zusammen und setzt den geber mit riesiger schlauchklemme am schraubring wieder ein ein gewürge dabei muss ein kleiner riss der vermutlich am stutzen der benzinleitung schon war größer geworden sein jedenfalls nach dem einbau und starten läufts wie aus der dusche also entweder fünfhundert euro für einen neuen benzingeber pluss arbeitsstunden oder ich hole den alten bei dem übrigens vor jahren das gleiche problem bestand (mein berliner mechaniker hatte damals den stutzen einfach geklebt) aus bamberg und wir setzen den von dem ein gesagt getan mein lieber theaterchef fährt mich hin zweihundertachtzig kilometer wir stehen eine stunde im stau gehen schön essen und zurück nachts stelle ich das auto auf den hof der werkstatt jott we de am nächsten tag also gestern vormittag war alles eingebaut ergebnis: zweihundert für den arbeitsaufwand und gut nu steht der alte in karlsruhe mit nummernschild zwar aber ohne tank auf der strasse vor der werkstatt und dort in der nähe ist leider kein abwrackplatz zu finden jeder quadratmeter natürlich unter 'obhut' das heißt ich brauche einen trail um es zum ausschlachten wohin auch immer zu transportieren denn kleine größere strecken abzuschleppen wäre zu anstrengend wenn der motor nicht läuft läuft weder der bremskraftverstärker noch die servolenkung ja so siehts nun wieder aus


gestatten

beide müssen etwas auf die linie achten um es vorsichtig auszudrücken gut nach diesem schreck und schluchzen kommt her wir setzen uns hier vernünftig an den tisch ihr liebt mich beide davon geht die welt nicht unter und ich ich liebe euch auch beide ihr üppigen weibsbilder davon geht die welt auch nicht unter als ich geträumt hatte mit dir danach zusammen ein wenig einzuschlafen nur ein paar minuten weil ich sicher war dass du drüben tief und fest und gut schläfst nach unserer tour und uns nicht entdecken würdest war ich sofort weg und zack stehst du in der tür ich rannte sofort hinterher und vergrub mein gesicht in deinem halboffenen morgenmantel an den brüsten die unter dem gerippten hemd fest und warm standen dann wurde ich wach leider denn ich hätte den kummer gerne noch ein wenig ausgekostet das herzzerreißende schluchzen es war also ein traum in dem ich geträumt hatte wo ich war nicht weiterschlafen können das war der stand der dinge wo seid ihr jetzt ihr beiden wunderschönen wolken werde ich euch je wiederfinden es war eine geräumige wohnung mit hohen zimmern und braunen holztüren mit leinentüchern überall im bad der küche auf den möbeln wahrscheinlich irgendwo nie ist man zufrieden mit dem was man hat die frau an sich kann es besser sich voll und ganz hingeben und zufrieden sein mit dem wenn sie einmal liebt aber der mann braucht immer ein zweites ein drittes leben im besten fall nacheinander im schlechten zugleich die alte leier ich habs satt gestatte gestatten mein name wenn das ganze überhaupt einen namen braucht




und wo die Liebe hinfällt fliegen
einem die Namen zu

[…]
Man setzte ihn wieder aus. Drin saßen die andern, tischlerten, lackierten, sortierten, klebten, hatten noch zwei Jahre, fünf Jahre. Er stand an der Haltestelle.
Die Strafe beginnt.
Er schüttelte sich, schluckte. Er trat sich auf den Fuß. Dann nahm er einen Anlauf und saß in der Elektrischen.
[…]
In der Brunnenstraße, wo sie Untergrund ausschachten, ist ein Pferd in den Schacht gefallen. Die Leute stehen schon eine halbe Stunde rum, die Feuerwehr rückt mit einem Wagen an. Die legt einen Gurt dem Pferd um den Bauch. Das steht auf lauter Leitungsröhren und Gasröhren, wer weiß, ob es sich nicht ein Bein gebrochen hat, es zittert und wiehert, man sieht von oben bloß den Kopf. An einer Winde ziehen sie es hoch, das Tier schlägt mächtig.
Franz Biberkopf und Meck sind dabei. Franz springt in die Grube zu dem Feuerwehrmann, schiebt das Pferd mit nach vorne ab. Meck und alle staunen, was Franz mit dem einen Arm kann. Sie beklopfen das schweißige Tier, dem ist nichts passiert.
[…]
Von diesem Mädchen, das prompt am nächsten Mittag an seine Tür klopft, ist Franz auf den ersten Blick entzückt, Eva hat ihn lecker gemacht, er möchte auch Eva eine Freude tun. Aber die ist auch wirklich schnieke, prima, eins a, so was stand noch nicht drin in seinem Kochbuch. Sie ist eine kleine Person, sieht im weißen leichten Kleidchen mit bloßen Armen wie ein Schulmädchen aus, hat sanfte, langsame Bewegungen, ist unmerklich gleich neben ihm. Sie ist kaum eine halbe Stunde da, da kann er sich das kleine Luder nicht mehr aus seiner Stube wegdenken. Emilie Parsunke heißt sie eigentlich, aber heißen möchte sie lieber Sonja, so hat Eva immer zu ihr gesagt, weil sie so russische Backenknochen hat. "Und Eva", meint das Mädel bettelnd, "Eva heißt ja auch nicht Eva, die heißt auch Emilie wie ich. Hats mir ja selbst gesagt."
Franz schaukelt sie auf dem Schoß und beguckt sich das zierliche, aber straffe Wunder und staunt, was ihm der liebe Gott für Glück ins Haus schickt. Das geht im Leben rauf und runter, wunderbar. Den Mann, der Eva so getauft hat, kennt er, das war er selbst, sie war sein Mädel vor der Ida, wär er lieber bei Eva geblieben. Na, nu hat er die hier.
Die heißt bei ihm bloß einen Tag Sonja, dann bettelt er, er kann so fremde Namen nicht leiden. Wenn sie aus Bernau is, kann sie ja auch anders heißen. Er hätte ja schon viele Mädels gehabt, das kann sie sich ja wohl denken, aber noch keene, die Marie hieß. Sone möchte er gern haben. Da nennt er sie denn nun "sein Miezeken".
[…]
(Döblin, Alfred, Berlin Alexanderplatz, dtv, ungekürzte Ausgabe, April 1965, 47. Auflage 2008, Seite 15, 241 und 256/57)
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