das ist eine… alt ist die nicht zum beispiel

qualm am fenster auf

dem kleinen tisch
die schreimaschine
voll elektrisch plattenbau
aschenbecher sehr voll sehr
vollklischee 'zigarre' ist gestrichen
oder
kein wasser mehr im falschen
whiskyglas
papier papier papier
papier papier noch

gegenüber in der wand
die bildbeschreibung stur im
buchstab stur in preußisch blau…

(das wars weit ab von der gebrauchsanweisung)
Alle Bilder der Sprache bergen
und sie gebrauchen, denn sie sind
in der Wüste, wo wir sie suchen
müssen.



Die Seite, die erst weiß war, ist jetzt von oben bis unten mit winzigen schwarzen Zeichen bedeckt, mit Buchstaben, mit Wörtern, Kommas, Ausrufezeichen, was zur Folge hat, daß diese Seite, wie man sagt, lesbar ist. Doch verursacht es auch eine gewisse Unruhe des Geistes, ein an Übelkeit grenzendes Unbehagen, ein Schwebenzustand, der mich beim Schreiben zögern läßt… Ist die Gesamtheit dieser schwarzen Zeichen die Wirklichkeit? Das Weiß ist hier ein Kunstgriff, der die Tranzparenz des Pergamins, das geritzte Ocker der Tontafeln, jenes erhabene Ocker erzetzen soll, zumal die Tranzparenz und das Weiß weit mehr Wirklichkeit zu besitzen scheinen als die Zeichen, die sie entstellen. Wurde die palästinensiche Revolution ins Nichts geschrieben? Ist sie ein Kunstgriff im Nichts? Und ist das weiße Blatt wie auch jeder kleinste Abstand, der zwischen zwei Wörtern erscheint, wirklicher als die schwarzen Zeichen? Zwischen den Zeilen lesen ist eine seichte Kunst, zwischen den Wörtern lesen, eine tiefgründige. Ließe sich die in der Nähe der Palästinenser - und nicht mit ihnen - verbrachte Zeit an einem Ort festsetzen, sie bliebe zwischen den Wörtern, die diese Wirklichkeit zu widerspiegeln suchen, erhalten, aber so duckt sie sich bis zur Verschmelzung mit sich selbst, eingestanzt oder vielmehr sehr präzise eingefangen zwischen den Wörtern, auf diesem Zwischenraum weißen Papiers und nicht den Wörtern, die geschrieben wurden damit die Wirklichkeit erlischt. Oder anders ausgedrückt: Der zwischen den Worten abgesteckte Raum umfasst weit mehr Wirklichkeit als die Zeit die man braucht, um sie zu lesen. Doch vielleicht umspannt er jene dichte und reale Zeit, die sich zwischen den Schriftzeichen der hebräischen Sprache drängt; als ich die Beobachtung machte, daß die Schwarzen die Buchstaben auf dem weißen Blatt Amerikas sind, da war dies wohl eine zu simple Metapher, denn die Wirklichkeit liegt vor allem in dem, was ich nie bis ins letzte kennen werde, in der dramatischen Begegnung zweier sich liebender Amerikaner verschiedener Hautfarbe. Sollte ich die palästinensische Revolution nicht begriffen haben? Ganz und gar nicht. Ich glaubte sie begriffen zu haben, als Leila mir einmal den Rat gab, nach Transjordanien zu reisen. Ich lehnte ab, weil das, was in den besetzten Gebieten geschah, nur ein Drama war, das Sekunde um Sekunde von den Besetzten und vom Besatzer erlitten wurde. Ihre Liebe im Alltag der Menschen, eine gleichsam transparente Wirklichkeit, eine von Wörtern und Sätzen zerhackte Stille.
[…]

(Genet, Jean, Anfang aus: Ein verliebter Gefangener, Kiepenheuer & Witsch 1988)
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