Die in starken Bildern versteckten Oxymora waren mir als Kind überhaupt nicht bewußt. Ich erlebte den gerne und oft wiederholten Vortrag wie ein vollkommen plausibles, spannendes, gruseliges… Kino.


finster wars der mond schien helle
schnee lag auf der grünen flur
als ein wagen blitzeschnelle
langsam um die ecke fuhr

drinnen saßen stehend leute
stumm in ein gespräch vertieft
als ein totgeschossener hase
auf dem sandberg schlittschuh lief

hinten auf der roten pritsche
die blau angestrichen war
saß ein blondgelockter jüngling
mit kohlrabenschwarzem haar

neben ihm die alte dame
eingeschult in diesem jahr
biss in eine butterstulle
die mit schmalz bestrichen war

an der regennassen strasse
sandstaub wirbelte empor
stand ein schutzmann in der hitze
schlotternd vor dem eisentor

nackt die hände in den taschen
hielt er sich die augen zu
als er eine diebin küßte
friedlich fand er keine ruh

[…]

das gedicht schrieb herr von goethe
wie er auf dem Nachttopp saß
als er abends in der Morgenröte
seine tageszeitung las

(Autor unbekannt)
[…]
Jn einer Gaunerherberge fand ich einmal spät nachts ein Vagantenpaar in einem elenden Bette mit Lumpen bedeckt liegen; zu den Füßen einen in Lappen gehüllten halbverkommenen Säugling. Neben dem Bett auf dem bloßen Fußboden lagen nebeneinander drei Kinder von 4 - 7 Jahren, mehr nackt als mit Lumpen verhüllt und von der kalten Decemberluft und dem zahlreichen Ungeziefer, selbst im festen Schlafe, stets in convulsivischer Bewegung erhalten. Als Neuling tief erschüttert von dem nicht zu schildernden Anblicke fand ich andern Tags barmherzige Frauen sogleich bereit, die ganze Familie vollständig und warm zu bekleiden. Zwei Tage später wurde die weitergewiesene Familie wieder eingebracht. Die treffliche Kleidung war verkauft und die erstarrten Kinder trugen wieder die alten Lumpen als Handwerksgeräthe zum Fortkommen der ruchlosen Aeltern.
[…]
(Eine Anmerkung aus: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, Seite 3)
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